Schüler der G9a bei der Verlegung „ihrer“ Stolpersteine

Am Donnerstag, den 31.08.2017 wurden in Zierenberg im Rahmen einer Feierstunde wieder Stolpersteine zum Gedenken an ehemalige jüdische Mitbürger verlegt.

Steineklein

Samuel Blatt und Max Petrossow bei der Verlesung der Biografie der Familie Schartenberg

Bereits im Vorfeld hatte sich die Klasse G9a mit ihrer Klassenlehrerin K. Neusüß intensiv mit den Stolpersteinen auseinandergesetzt. Der Künstler Gunter Demnig lässt seit dem Jahr 2000 Gedenktafeln aus Messing in den Bürgersteig vor den letzten selbstgewählten Wohnhäusern von Opfern der NS-Zeit ein. Die Schicksale dieser Menschen werden von Mitbürgern recherchiert. So gibt es in Zierenberg die Arbeitsgemeinschaft Erinnerungskultur, die dies tut und dieses Jahr bereits zum zweiten Mal mit dem Künstler Demnig Stolpersteine verlegt.
Nachdem im letzten Jahr Fr. Neusüß mit einer Klasse G10 bei der Verlegung anwesend war, war das Interesse von Lehrerin und Schülern geweckt, und so entschied man sich, gemeinsam das Schicksal einer jüdischen Zierenberger Familie zu recherchieren. Im Rahmen des Religionsunterrichts beschäftigten sich die Schüler mit der Familie Schartenberg, einer der ältesten und größten jüdischen Familien Zierenbergs. Vater Jakob Moritz und Mutter Sophie Schartenberg lebten gemeinsam mit ihren beiden Söhnen Ludwig Fritz und Walter in der Poststraße 34. Die Schüler fanden heraus, dass diese Familie hoch angesehen war in Zierenberg, ein Stoffgeschäft mit Modewaren besaß und mit den christlichen Nachbarn teils freundschaftlich verbunden war. Das Nazi-Regime änderte allerdings alles. Die beiden Söhne erkannten dies früh und verließen Deutschland bereits 1936 bzw. 1938, Vater und Mutter mussten jedoch einen verbrecherischen Übergriff auf Besitz und Leben im Rahmen der Reichspogromnacht 1938 erfahren, die in Zierenberg bereits am 08.November stattfand. Nach kurzer Inhaftierung im KZ Buchenwald wurde der Vater wieder entlassen, flüchtete aber aus Zierenberg nach Kassel. 1939 gelang es Sohn Walter, der zwischenzeitlich in Newcastle im Nordwesten Englands lebte, eine Einreisegenehmigung für seine Eltern zu bekommen, und so flüchteten Jakob und Sophie im August 1939 buchstäblich in letzter Minute nach England.
Dieses Schicksal, das es noch verhältnismäßig gut mit der Familie Schartenberg meinte, bewegte die Schüler der G9a tief, und man entschied sich rasch, die beim Verkauf selbstgemachter Pralinen beim Weihnachtsfest eingenommene Summe der Arbeitsgemeinschaft Erinnerungskultur zur Beschaffung der vier Stolpersteine zu spenden. Der Förderverein der ESS stockte die Summe dankenswerterweise auf einen glatten Betrag von 500 Euro auf, somit konnten die vier Steine bezahlt werden.
Bei der Verlegung nun warteten die Schüler gespannt auf den Künstler Gunter Demnig, der „ihre“ Steine vor dem Haus Poststraße 34 zuerst verlegte. Die Schüler Samuel Blatt und Max Petrossow verlasen die Biografie der Familie Schartenberg, und die Schulband der ESS unter Leitung von Fr. Kettner spielte ein jüdisches Lied. Unter Anwesenheit zahlreicher Zierenberger Bürger, Schüler und Eltern der ESS war dies ein bewegender Abschluss der ca. ein Dreivierteljahr dauernden Recherche. Sehr nachdenklich nahmen die Schüler auch die Schicksale der drei anderen Zierenberger Familien wahr, für die insgesamt noch acht Stolpersteine verlegt wurden. Nur noch ein ehemaliger Zierenberger überlebte den Nazi-Terror, alle anderen wurden ermordet oder starben aufgrund der unmenschlichen Bedingungen in den Konzentrationslagern.
„Nur wenn wir den Opfern Namen und Gesichter geben können, werden sie in den Köpfen der Menschen lebendig“, so empfand es ein Schüler, und nur so kann man die Geschichte so aufarbeiten, dass wir alle daraus lernen können.